Mehr Freiheit wagen – Statt Bauchgurt und Bettgitter frühzeitige Abstimmung aller Beteiligten, „Werdenfelser Weg“ künftig auch in den Pflegeheimen im Landkreis Ravensburg

Kreis Ravensburg - Bauchgurte, die Fixierung verwirrter oder behinderter Patienten und andere freiheitsentziehende Maßnahmen sind ein Tabuthema, das gerade vor dem Hintergrund einer stetig ansteigenden Anzahl von Demenzkranken häufig Alltag in Behinderteneinrichtungen und Pflegeheimen ist.

Geht es nach den Vorstellungen des Ravensburger Gesundheitsamtes, gehören diese Maßnahmen künftig weitgehend der Vergangenheit an. Möglich machen soll dies der so genannte "Werdenfelser Weg". Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, war Inhalt einer Veranstaltung, zu der die Gesundheitsbehörde unlängst alle Amtsrichter im Landkreis sowie die Heimleiter, Verfahrenspfleger und Pflegedienstleiter der Pflege- und Behindertenheime eingeladen hatte.
 
Die zeitweilige Fixierung von Bewohnern in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen mit Bauchgurten, Bettgittern oder so genannten Vorsatztischen ist eine Methode, um die Betroffenen davor zu schützen, sich selbst zu schädigen. Es ist, so Richterin Sigrid Scharpf vom Amtsgericht Ravensburg, aber auch immer eine freiheitsentziehende Maßnahme, die deshalb der vorherigen Genehmigung durch das Gericht bedarf. So sinnvoll und wichtig diese Methoden im Einzelfall auch sein mögen, oft genug sind sie aber gar nicht nötig.
Sorge um die Gesundheit des Heimbewohners, aber auch die Angst der Heimbetreiber vor möglichen Regressforderungen der Angehörigen nach einem Sturz sind nach den Erfahrungen von Dr. Anna Fischer, Ärztin am Gesundheitsamt Ravensburg, verantwortlich für den "manchmal zu frühen Ruf" nach solchen Fixierungen. Hier soll nun künftig das Modell des "Werdenfelser Weg" Abhilfe schaffen. Zentrales Anliegen dieses im bayerischen Garmisch-Partenkirchen entwickelten Verfahrens ist es, möglichst frühzeitig alle Beteiligten, von den Angehörigen über das Pflegepersonal bis zum zuständigen Richter in den Entscheidungsprozess einzubinden und jeweils im konkreten Einzelfall zu klären, welches Risiko alle Beteiligten noch gemeinsam vertreten können und wollen. Stürze und die damit verbundenen Verletzungen gehören gerade bei älteren Menschen zu den alltäglichen Risiken und können "auch bei bester Fürsorge nie ganz ausgeschlossen werden", so Dr. Michael Föll, Leiter des Ravensburger Gesundheitsamtes.
Geht es nach den Vorstellungen der Experten vom Ravensburger Gesundheitsamt wird künftig ein eigens dafür ausgebildeter und vom Amtsgericht bestellter Verfahrenspfleger im Einzelfall abwägen, wie die Würde und Freiheit des betroffenen Menschen und die Sorge seiner Angehörigen und Pfleger um seine körperliche Unversehrtheit in Einklang gebracht werden können. Anstelle des Bauchgurts können dann beispielweise so genannte Niedrigflurbetten oder Klingelmatten den Heimbewohner davor bewahren, sich unnötig in Gefahr zu begeben. Um sich ein Bild vom Zustand des betroffenen Menschen, seinen verbliebenen Möglichkeiten und seiner Umgebung zu machen, ist ein Besuch in der jeweiligen Einrichtung deshalb "absolut Pflicht". Noch wichtiger ist aber die möglichst frühzeitige Einbindung aller Beteiligten. Dass dieser Weg erfolgreich ist, bestätigte bei der Veranstaltung auch Susanne Preisenhammer, Leiterin des Seniorenzentrums im bayerischen Moosburg, das mit dem Konzept „Bewegung ohne Einschränkung“ seit 2009 auf alle freiheitsentziehenden Maßnahmen verzichtet.


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Ravensburg, den 28.11.2013

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